Farbgutachten Nr. 2
Die Farbuntersuchungen am Haus Nr. 2 der Alexandrowka wurden im Jahr 2002 durchgeführt. An den wichtigsten Bauteilen wurden, soweit es überhaupt noch möglich war, mehrere Farbschnitte pro Raum angelegt. Die vielen untersuchten Stellen am Haus sind fotografisch festgehalten, die entnommenen Proben wurden teilweise mikroskopisch ausgewertet.
Die vorliegenden Ergebnisse der aufwändigen Untersuchungen auf historische Farbigkeit von Haus Nr. 2 der Alexandrowka werden auf den folgenden Seiten in verkürzter Form dargestellt. Weitere Einzelheiten erhalten Sie gerne über die im Impressum genannten Mailadressen. Der Bauherr Dr. Kremer ist über info@alexandrowka zu erreichen.
Ergebnisse zum Außenbereich
Fassadenbau
Der Sockel des Hauses ist aus Ziegeln gemauert. Die Fassade des Fachwerkes wurde mit abgerundeten Brettern verkleidet, womit der Anschein eines massiven Blockhauses erweckt wurde (Fotos auf der Seite Renovierung). An den Unterkanten der beiden Balkone, am Dachgiebel und an der Torverdachung befinden sich Zierbretter mit gesägten Ornamenten. Die Geländer weisen gesägte Balusterbretter auf. Die Fenster sind meist zweiflügelig, haben Fensterläden und sind mit einer geschnitzten Bekrönung versehen (Fotos auf der Seite Haus Nr.2).
Die Fassadenverkleidung aus Nadelholzbrettern stammt vermutlich zu großen Teilen noch aus der Erbauungszeit des Hauses. Die beiden Eingangstüren auf der Nordseite des Hauses sind mit Sicherheit noch bauzeitlich. Hauptsächlich an den Fenstern und Fensterläden wurden an der Fassade Veränderungen vorgenommen. Im Dachgeschoss der Ostfassade und im Erdgeschoss der Westfassade sind zwei bauzeitliche Fenster erhalten geblieben. Alle anderen Fenster wurden erneuert, das erste Mal wahrscheinlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Eine ursprüngliche Fensterlade ist nicht erhalten geblieben. Die Balkontür im Obergeschoss der Westfassade wurde in der Mitte des 19.Jahrhunderts nachgebaut, der Balkon an der Westfassade in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erneuert. Weitere Einzelheiten sind den Bildunterschriften zu entnehmen.
- Schmiedeeiserner Teil eines Klingelzuges auf der Nordseite des Hauses, wahrscheinlich aus der ursprünglichen Bauzeit
- Türsschild als Attrappe an der Blindtür im Erdgeschoss der Westfassade, wahrscheinlich bauzeitlicher Herkunft
- Ausgebesserte Fassade mit ursprünglicher Geländerhöhe (EG, 24cm tiefer als heute), Änderung vermutlich im 20. Jahrhundert
- Abdruck eines bauzeitlichen Türschildes auf der Eingangstür im EG, es wurde erst nach der letzten Fassung (Farbschicht) entfernt
Außenfarben
Ursprünglich waren alle Fassadenelemente vermutlich holzsichtig und wiesen nur Lasuren oder Firnisanstriche auf. Der Zeitpunkt, zu dem die teerhaltige Lasur der Fassade und der Fensterzargen aufgebracht wurde, ist nicht mehr zu ermitteln. Zur Erbauungszeit des Hauses waren holzschützende Anstriche bereits gebräuchlich, so dass sie bauzeitlich sein könnten. Der teerhaltige Anstrich verlieh dem Holz eine schwärzlich-bräunliche Oberfläche.
Die eichenen Zierbretter der Westfassade, die Balusterbretter der Balkongeländer und die Fenster hatten ursprünglich wahrscheinlich keinen deckenden Anstrich, sondern waren lediglich gefirnisst oder nur mit einer dünnen Lasur versehen.
Die bauzeitliche Eingangstüren auf der Nordseite des Hauses erhielten schon sehr früh neue deckende Anstriche, es ließen sich mehrere Fassungen nachweisen (siehe Fotos rechts).
An den gesägten Zierbrettern und den teilweise bauzeitlichen Balusterbrettern der Geländer der Straßenfassade wurde unter vier jüngeren Fassungen eine verwitterte und verschmutzte Oberfläche des Eichenholzes nachgewiesen. Es wird vermutet, dass diese Teile ursprünglich lediglich gefirnisst waren und daher lange Zeit der Witterung ausgesetzt waren (siehe Fotos). Auch die Fenster waren vermutlich nicht deckend gestrichen, sondern lediglich gefirnisst oder mit einer dünnen Lasur versehen.
- Balkontür, Westseite, 1.OG, die Schichtenfolgen 0 (Eichenholz) bis 6 sind markiert, Schichten 1 bis 6 aus Öl- oder Kunstharzfarben
- Zierbrett, EG, Westseite, Holzoberfläche stark verwittert, die vier Farbschichten stammen wahrscheinlich aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts
- Fensterfasche, 1.OG, Westseite, Fassungsfolge ist identisch mit der auf den Fensterbekrönungen des Hauses; Bretter vermutlich nicht ursprünglich, sondern aus Ende des 19.Jahrhunderts
- Dachgeschossfenster, bauzeitlich, keine deckende Farbschicht, Eichenfenster war möglicherweise holzsichtig und nur gefirnisst oder frühe Fassungen wurden entfernt
- Linkes Fenster, EG, Nordseite, nicht bauzeitlich, einzig erhaltene Fenster der ersten Nachbauten (Jahrhundertwende 1900), viele Fenster wurden Mitte des 20. Jahrhunderts wiederum erneuert
Ergebnisse zum Innenbereich
Räume
Besonders im Erdgeschoss des Hauses gab es mehrere bauliche Veränderungen:
Der Kellereingang wurde wahrscheinlich schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts verändert. Die Untersuchungen lassen vermuten, dass die jetzige Kellertür im Erdgeschoss ursprünglich zum Raum 1.1.6 führte (siehe Foto rechts) und der ursprüngliche Kellerzugang sich rechts daneben befand, der damalige Kellerhals befand sich im Raum 1.1.6 in der Südwest-Ecke. Wie der eigentliche Zugang zum Keller gestaltet war, lässt sich nicht mehr vermitteln.
Der gegenwärtige Kellerhals im Raum 1.1.6 entstand Ende des 20. Jahrhunderts, als auch die Kellerdecke erneuert wurde. Die geringe Sockelhöhe der Farbfassungen in diesem Raum lassen vermuten, dass sein Fußbodenniveau bereits nach dem ersten Umbau angehoben wurde.
Es besteht kaum Zweifel, dass sich ursprünglich die Türöffnung zwischen den Räumen 1.1.6 und 1.1.7 mitten in der Wand an der gegenwärtigen Stelle des Ofens befand.
Weitere Veränderungen betreffen die Toilettenverschläge. Sie wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts jeweils in die nordwestlichen Ecken der beiden Flure mit massiven Wänden eingebaut (Räume 1.1.1 und 1.2.1).
Um die beiden östlichen Kammern beheizbar zu machen, wurden in den beiden nordöstlichen Ecken der beiden Küchen (Räume 1.1.5 und 1.2.5 nachträglich ein Schornsteineinzug eingebaut.
Der Treppenverschlag im Flur des Obergeschosses (Raum 1.2.1) ist nicht bauzeitlich. Die Tür des Verschlages wurde Ende des 19. Jahrhunderts hergestellt.
Schließlich wurde gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Westwand des Raumes 1.1.7 westwärts versetzt, um den Raum zu vergrößern.
- Flur 1.1.1 Untergeschoß
- Stube 1.1.3 Untergeschoß
- Kammer 1.1.4 Untergeschoß
- Küche 1.1.5 Untergeschoß
- Kammer 1.1.6 Untergeschoß
- Flur 1.2.1 Obergeschoß
- Stube 1.2.3 Obergeschoß
- Kammer 1.2.4 Obergeschoß
- Küche 1.2.5 Obergeschoß
- Kammer 1.2.6 Obergeschoß
- Kammer 1.2.7 Obergeschoß
Fenster und Türen
Abgesehen von zwei bauzeitlichen und einem gründerzeitlichem Fenster wurden alle Fenster frühestens in der Mitte des 20. Jahrhunderts ausgetauscht. Bei den ursprünglichen Fenstern handelt es sich um das Dachbodenfenster auf der Ostseite des Hauses und der äußere Flügel des kleinen Fensters der Westwand in der Kammer 1.1.4 im Erdgeschoss (siehe Fotos unten). An diesem Flügel wurden 14 Farbfassungen festgestellt, es sind ausschließlich gelbe Weißtöne oder weißliche Ockertöne. Die ursprünglichen Fenster sind aus Eichenholz gefertigt, sie waren einst Einfachfenster. Sie weisen Winkelbänder mit Stützkolben auf und werden mit Vorreibern verschlossen. Typisch für die Bauzeit ist die kleine Pfalz auf der Innenseite der Sprossen.
Mehrere Türen des Hauses sind noch bauzeitlich (siehe Fotobeschreibungen). Die Balkontür in der Stube des Obergeschosses (Raum 1.2.3, Foto rechts unten) wurde bereits sehr früh nachgebaut, wahrscheinlich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts.
Auch die Innentüren wurden erneuert. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in beiden Etagen des Hauses die Türen vom Flur zur Stube ausgetauscht. Die Tür zwischen den beiden nebeneinanderliegenden Kammern im Obergeschoss (Raum 1.2.6 und Raum 1.2.7) wurden wahrscheinlich erst Anfang des 20.Jahrhunderts erneuert.
In der Erstfassung waren die bauzeitlichen Innenfenster und -türen einschließlich der Bänder und Bekleidungsleisten in einem sehr hellen gelblichen Grau (gebrochenes Weiß) gestrichen. Im Bereich der Türklinken waren in der ersten Fassung trapezförmige schwarze Absetzungen nachweisbar (viertes und fünftes Foto von oben, links). Es wird angenommen, dass die schwarzen Flächen verhindern sollten, Verschmutzungen sichtbar werden zu lassen.
Bei den Fassungen der Türen und Fenster handelt es sich größtenteils um Ölfarbenanstriche, nur die jüngeren Anstriche sind in Kunstharzfarbe erfolgt. Auf den bauzeitlichen Türen konnten bis zu 16 Folgefassungen nachgewiesen werden (erstes und drittes Foto von oben, links).
- EG, Tür von der Stube (1.1.3, Südwand) zur Kammer (1.1.4), Türblatt bauzeitlich, die Aufnagelbänder und Stützkloben sind original, das Türschild ist jünger
- OG, Hauseingangstür im Obergeschoss, Nordwand, bauzeitliche Gratleistentür, die außen aufgedoppelt ist, die Aufnagelbänder und Stützkloben sind original, das untere Band wurde später verändert
- OG, Balkontür der Stube im Obergeschoss, Westwand (1.2.3), die Tür ist nicht bauzeitlich, wahrscheinlich ist es ein früher Nachbau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts
- OG, Gratleistentür in der Kammer-Westwand (1.2.7), typische Tür der untergeordneten Räume (Kammern, Küchen), in den meisten Fällen sind Aufnagelbänder und Stützkloben erhalten geblieben
- EG, Nordtür (Eingangstür) vom Flur, außen aufgedoppelte Gratleistentür, bauzeitlich, 16 Farb-Fassungsfolgen konnten nachgewiesen werden
- EG, Südtür vom Flur zur Küche (1.1.5), Gratleistentür, bauzeitlich, Erstfassung und Fassungsfolge entsprechen der Eingangstür, schwarze Absetzungen in der Nähe der Türklinke
- EG, Tür von der Stube (1.1.3, Südwand) zur Kammer (1.1.4), Türblatt bauzeitlich, 17 Farbschichten konnten nachgewiesen werden
- EG, Tür von der Stube (1.1.3, Südwand) zur Kammer (1.1.4), Türblatt bauzeitlich, schwarze, trapezförmige Absetzungen im Bereich der Türklinke
- EG, Tür der Kammer-Nordwand (1.1.4), Erstfassung, schwarze Absetzungen im Bereich des Kastenschlosses sichtbar
- EG, Fenster in der Kammer-Westwand (1.1.4), das Fenster weist noch die originalen Winkelbänder und Stützkloben auf, der Vorreiber ist nicht bauzeitlich
- OG, Fenster der Dachkammer an der Ostwand, die originalen Winkelbänder, Stützkloben und Vorreiter sind erhalten geblieben
Fußböden und Leisten
Wegen Feuchteschäden sind besonders im Erdgeschoss die bauzeitlichen Fußböden nur noch teilweise erhalten geblieben, die größten Flächen sind ausgebessert worden. Der Parkettfußboden in der unteren Stube (Raum 1.1.3) ist ein Fischgrätenparkett (wahrscheinlich Kiefer) und stammt aus dem 20. Jahrhundert. Der Terrazzo-Boden in der Küche (Raum 1.1.5) wurde vermutlich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelegt. Im Flur und in der einen Kammer (Raum 1.1.6) besteht der Fußboden aus Betonestrich, in der Kammer ist der Estrich mit PVC-Belag versehen. In den Kammern 1.1.4 und 1.1.7 und den meisten Räumen des Obergeschosses ist noch der bauzeitliche Fußboden zu finden, allerdings teilweise mit Ausbesserungen.
Die Scheuerleisten der Räume haben unterschiedliche Profile, vermutetlich wurden sie zu unterschiedlichen Zeiten ausgetauscht. In der einen Kammer des Untergeschosses (Raum 1.1.4) ist an der Innenwand ein Stück Scheuerleiste erhalten geblieben, von dem angenommen werden kann, dass es bauzeitlich ist. Da die Holzoberfläche auf der Dielung und auf der Scheuerleiste unter der ersten Farbschicht verdunkelt und verschmutzt ist, wird angenommen, dass die Dielung und die Scheuerleiste ursprünglich nicht gefasst waren. Wahrscheinlich wurde der Holzfußboden nur gescheuert, geseift und gewachst.
- Stube 1.1.3, Leiste stammt vermutlich aus dem 20. Jahrh., sie weist zwei Farbfassungen auf
- Kammer 1.1.4, Dielung und Leiste sind möglicherweise bauzeitlich, Fassungen sind identisch
- Kammer 1.1.7, die karniesförmige Scheuerleiste hat sechs Fassungen, Erstfassung war braun
- Flur im OG, profilierte Leiste war in Erstfassung braun, wahrscheinlich ursprünglich holzsichtig (Nadelholz).
- Stube 1.2.3, braune Erstfassung ist aus dem 19.Jahrh., Dielung vermutlich noch bauzeitlich
- Kammer 1.2.4, die Schwelle des Fachwerks fungiert als Scheuerleiste, wahrscheinlich noch bauzeitlich
- Kammer 1.2.4, Leiste der Ostwand vermutlich nicht bauzeitlich, die erste Fassung ist Braun, es gibt weitere Farbfassungen
- Küche 1.2.5, glatte Leiste, Schicht 0 ist Nadelholz, Schicht 1 ein Deckanstrich (Ölfarbe), sechs Folgefassungen
- Kammer 1.2.6, profilierte Leiste, vermutlich Ende des 19. Jahrh., ursprünglich wahrscheinlich ungefasst
Decken und Wände
In allen Räumen des Hauses Nr.2 ist wenigstens teilweise der bauzeitliche Putz erhalten geblieben, nur wurde er mehrfach stark überarbeitet. Besonders durch die Verlegung von Elektrokabeln (meistens am oberen Wandabschluss) wurde der bauzeitliche Putz deutlich gestört.
Aufsteigende Feuchte in den Räumen des Erdgeschosses haben wahrscheinlich dazu geführt, dass schon Anfang des 20. Jahrhunderts in den unteren Teil der Außenwände der Räume 1.1.3, 1.1.4 und 1.1.7 Asphaltplatten eingeputzt wurden. In der Kammer 1.1.6 wurden die Außenwände mit „Sauerkraut“-Platten verkleidet und dann verputzt.
In den Oberwandbereichen konnten Fragmente von Gestaltungen und im Sockelbereich einfache Sockelgestaltungen gefunden werden. In den Fluren wurden nach einer weißen Erstfassung zwei bis drei Fassungen mit hellgrauen Wandfonds und flächigen Quarderungen nachgewiesen, deren Striche schwarz, bräunlich-grau bzw rotbraun waren. In beiden Küchen konnten mehrere Fassungen in Rotocker-Tönen nachgewiesen werden, die für Küchen sehr typisch waren. In einigen Stuben und Kammern konnten Fassungen mit ornamental gestalteten Oberwandbereichen nachgewiesen werden, in der Kammer 1.1.6 (Fassung VIII) gelang sogar die vollständige Rekonstruktion der Raumfassung.
- Dachkammer, Fassung II, Blatt des „Freien Anzeigers, Central-Organ für die Reichshauptstadt“ vom März 1894
- Dachkammer, Fasssung II, Tapete mit Blumenmuster und Bordüre, Südwand, ebenfalls um 1894
- Stube 1.1.3, Südwand, oberer Wandabschluss, Fassungen VI und VII
- Kamme 1.1.4, oberer Abschluss der Südwand, Fassung II, rotes Schablonenband (siehe auch rechtes Bild)
- Rekonstruktion der abgenommenen Ornamente in der Kammer 1.1.4 (siehe auch linkes Bild)
- Kammer 1.1.7 mittlerer Wandbereich, hier Fassungen 7 bis 14, teilweise schlecht erhalten und nicht bestimmbar
- Westwand des Flures im Obergeschoss, deutlich sichtbar die Quaderung der Fassung II
- Kammer 1.2.4, obere Nordwand, mittig ein Tapetennagel mit roten Faserresten, Mitte des 19. Jahrh.
- Küche 1.2.5, Folge der letzten drei Papiertapeten, heller Grund mit Blüten-, Blatt- und Streifenmustern